Mit schwerem Herzen und zugleich großer Vorfreude auf das, was vor mir liegt, möchte ich hiermit teilen, dass ich FAIR SHARE of Women Leaders bald verlassen werde. Heute erzähle ich, warum ich diese Entscheidung getroffen habe und mich beim FAIR SHARE-Team und meiner Co-Geschäftsführerin Helene für die Zusammenarbeit in den letzten Jahren bedanken.
Vor kurzem habe ich meine Bewerbung für FAIR SHARE of Women Leaders aus dem Jahr 2020 nochmal gelesen. Ich erinnere mich, wie ich die Stellenausschreibung las und dachte: „Das klingt wirklich spannend. Ich habe das Gefühl, dass diese Organisation tatsächlich Machtstrukturen kritisch reflektieren will und dass meine Stimme als Mensch mit Rassismuserfahrung in Deutschland hier wirklich Gehör finden würde.“ Viereinhalb Jahre später endet nun meine Reise mit FAIR SHARE. Diese Organisation hat tatsächlich nicht davor zurückgeschreckt, Machtstrukturen im zivilgesellschaftlichen Sektor kritisch zu hinterfragen und Raum für unterschiedliche Positionierungen und Realitäten innerhalb des Teams geschaffen.
In den letzten Monaten habe ich über meine persönlichen Werte und Prioritäten nachgedacht. Obwohl ich tief mit der Mission und Vision von FAIR SHARE verbunden bin, spüre ich, dass es an der Zeit ist, meine Energie und Bemühungen auf meine anhaltende Leidenschaft für Klimagerechtigkeit zu konzentrieren. Ich habe im September 2020 als Junior Associate bei FAIR SHARE angefangen und zusammen mit meiner Kollegin Lea waren wir ein kleines Traumduo, das sowohl an den noch sehr jungen internationalen als auch deutschen Monitoren gearbeitet hat. Damals hatten wir nicht nur mit Software und Tools zu kämpfen, sondern auch dem Sprachverständnis zwischen Softwareentwickler*innen und Nicht-Softwareentwickler*innen. Wir mussten lernen, dass unsere Arbeit nicht von Tools gesteuert werden sollte, sondern umgekehrt. Im Laufe dieser vier Jahre sind wir durch diese Erfahrungen klüger geworden und setzen nun Werkzeuge ein, um unsere Strategie zu unterstützen. Mit dem starken Fokus auf Daten hat sich FAIR SHARE zu einer Organisation entwickelt, die die Strukturen des zivilgesellschaftlichen Sektors anprangern möchte. Durch den zunehmenden Fokus auf feministische Führungskultur konnten wir eine Möglichkeit anbieten unterdrückerische Strukturen zu verlernen und „das ist einfach so/war schon immer so“ und andere Formen des Aufbaus eines Arbeitsplatzes nach feministischen Prinzipien zu entwickeln. So einen Arbeitsplatz, zu erleben, war eine bereichernde Erfahrung, und ich glaube, dies anderswo zu finden, wird sehr schwierig sein.
Meine jüngste Herausforderung bei FAIR SHARE war die Übernahme der Rolle als Co-Geschäftsführerin. Für eineinhalb Jahre hatte ich die Möglichkeit zu lernen, was es bedeutet, eine Organisation zu leiten. Von schlaflosen Nächten aufgrund finanzieller Sorgen unseres Vereins, hin zum Verständnis eines Organisationsbudgets; all das, während ich versuchte, die Menschlichkeit aller Teammitglieder innerhalb dieser kapitalistischen Weltordnung zu berücksichtigen. Gemeinsam mit meiner Co-Geschäftsführerin Helene haben wir viele dieser Herausforderungen gemeinsam gemeistert. Ich bin dankbar für das Vertrauen, das mir meine Kolleg*innen entgegengebracht haben, es hat mir ermöglicht, eine „Führungskraft“ zu werden, die zugeben kann, nicht alles zu wissen. Sie hatten aber auch die Geduld mit mir, dass ich meine Stärken und Schwächen in dieser Rolle entdecken konnte.
In diesen vier Jahren hatte ich die Chance, wunderbare Menschen kennenzulernen, die nicht nur die Entwicklung der Organisation, sondern auch meine eigene Lernreise unterstützt haben – von den Mitgliedern des ersten Action Circle über das “We are Feminist Leaders”-Programm, Mentor*innen wie von Aspiration Tech und meine großartigen Kolleg*innen. Ich bin zutiefst dankbar für all diese Unterstützung.
Bei FAIR SHARE versuchen wir, Dinge anders zu machen. Deshalb lest ihr von meinem „Abschied“ direkt von mir und nicht von der Personalabteilung, nachdem ich bereits gegangen bin. Da wir derzeit eine Governance-Struktur aufbauen, die feministische Prinzipien widerspiegelt, richten wir eine Gruppe ein, die aus Teammitgliedern, dem Präsidium und Helene besteht, um den Übergangsprozess so partizipativ wie möglich zu gestalten. Dieser Führungswechsel ist eine praktische Gelegenheit für FAIR SHARE, feministische Prinzipien zu testen und neue Wege der Governance zu erkunden.
Während dieser Übergangszeit wird ein interim Co-Leadership-Team die Aufgaben übernehmen, die Helene und ich gemeinsam erledigt haben. Dies haben wir schon zuvor in ähnlicher Form ausprobiert, als Helene 2022 ein Sabbatical nahm. Anstatt eine externe Interimsperson zu finden, die sich erst mit FAIR SHARE vertraut machen müsste, fühlte das Team, dass dieser Ansatz unsere Werte widerspiegelt. Wir werden in den kommenden Wochen mehr darüber berichten.
Auch wenn ich traurig bin, diese großartige Gruppe von Menschen, die wunderbaren – aber auch schwierigen – Gespräche und die Arbeit mit unseren Partner*innen und der Community zu verlassen, weiß ich, dass die feministische Blase ein Dorf ist. Wir werden uns auf verschiedenen Konferenzen, Demonstrationen und Zoom-Meetings wiedersehen, um weiteren „good trouble“ zu planen und umzusetzen.
In Solidarität
Tatu